Die Preisträger:innen des Filmfestival Münster 2023

Die 20. Festivalausgabe geht nach 10 Tagen zu Ende: „I Have Electric Dreams“ von Valentina Maurel gewinnt den Wettbewerb European First Feature Film Competition.

Am 30. September wurden im Schloßtheater die Preise des diesjährigen Filmfestival Münster vergeben. Das Coming-of-Age-Drama I Have Electric Dreams von Regisseurin und Drehbuchautorin Valentina Maurel gewann den mit 5.000 Euro dotierten Hauptpreis in der European First Feature Film Competition.

Der Kurzfilm Mitläufer von Filmemacher Frederic Kau wurde ausgezeichnet in der Kategorie European Short Film Competition, die Jury vergibt außerdem eine Lobende Erwähnung für Gedanken eines jungen Menschen beim Anblick einer sich auflösenden Welt von Regisseur Jonathan Berlin. Der mit 1.000 Euro dotierte Publikumspreis geht 2023 an Tuulikki von Teemu Nikki

In der Sparte Westfalen Connection gewonnen haben: Morgen irgendwo am Meer von Patrick Büchting gewinnt den Preis für den Langfilm (dotiert mit 1.500 Euro und gestiftet von der Stiftung Westfalen-Initiative) und Die Spökenkiekerin und das Fräulein von Mark Lorei den Preis für den Kurzfilm (dotiert mit 1.000 Euro und gestiftet von der Stiftung Westfalen-Initiative).

Zehn Tage lang hat das Festival den europäischen Film gefeiert und die Zuschauer:innen mit einem vielseitigen Programm im Schloßtheater Münster begeistert. „Es wurde jeweils noch lange über die Screenings hinaus im Kino-Foyer diskutiert. Uns freut besonders, dass wir in diesem Jahr insbesondere auch das junge Publikum und viele Student:innen mit unserem Programm erreichen konnten,“ resümiert Risna Olthuis, die das Festival gemeinsam mit Carsten Happe leitet. 

„Die 20. Ausgabe des Filmfestival Münster war die politischste, die wir je hatten,“ ergänzt Festivalleiter Carsten Happe über das Programm 2023. „Es gibt so viele drängende Themen: Die Klimakrise, Alltagsrassismus, der Krieg in der Ukraine. Da liegt es auf der Hand, dass sich Filmemacher:innen intellektuell und künstlerisch damit auseinandersetzen und wir wollten bewusst diesen Schwerpunkt setzen.“ 

I Have Electric Dreams wird am 01. Oktober um 20:00 Uhr noch einmal gezeigt, Morgen irgendwo am Meer um 17:30 Uhr.

Das Filmfestival Münster kehrt im Herbst 2025 zurück. Nächstes Jahr findet vom 20. bis 29. September die dritte Ausgabe des LITFILMS Literatur Film Festival Münster statt.


Die Preise wurden in diesem Jahr durch drei Jurys vergeben:

European First Feature Film Competition (Preis für die beste Regie, dotiert mit 5.000 Euro):

Jury-Statement Filmemacherin Katharina Huber, Comiczeichnerin und Regisseurin Ziska Riemann und der Filmemacher Huw Wahl:

„Die Jury hat beschlossen, Valentina Maurels Debüt I Have Electric Dreams als Gewinner des Europäischen Erstlingsfilmwettbewerbs auszuzeichnen. Fast wie Inseln, die ineinander driften, zusammenlaufen oder sich trennen, sehen wir ein organisches Porträt einer Familie und ihrer Bestandteile, die sich gleichzeitig in mehrere Richtungen bewegen und um eine wahre Richtung kämpfen. Die kühnen Darbietungen von Maurels Ensemble spiegeln die Komplexität des Navigierens und Bewertens dieser Beziehungen, Grenzen und Kommunikationsweisen wider.

Die Jury war beeindruckt von der erzählerischen Kraft, dem subtilen Sounddesign und dem Reichtum an visuellen Details des Werks, das sich allesamt emotional offen und engagiert anfühlte. Maurel gewährt dem Publikum eine mehrdimensionale Sicht, ohne ihm ein Urteil aufzuzwingen, ohne eine Agenda voranzutreiben. Die Charaktere werden in diesem leuchtenden Stück wirklich zum Leben erweckt, zusammen mit all ihren Facetten der Sinnlichkeit, gescheiterten und erfolgreichen Verbindungen, Gewalt und Zuneigung und vielleicht am wichtigsten, der Sehnsucht nach einer Art Poesie, die den Kreislauf durchbrechen könnte.“



European Short Film Competition (Großer Preis der Filmwerkstatt, dotiert mit 3.000 Euro):

Jury-Statement Schauspielerin Michelle Barthel, der Spiel- und Dokumentarfilmregisseur Erec Brehmer sowie die Drehbuchautorin und Regisseurin Fitore Muzaqi:

„Wir haben bis in die Nacht diskutiert, um herauszufinden, welcher Film den Preis in der Kategorie European Short Film Competition verdient hätte. Und wir möchten gerne noch einmal bekräftigen, dass alle Filme, die wir gesehen haben, eine besondere künstlerische Leistung erbracht haben und es auch verdient haben, hier von einem möglichst großen Publikum bestaunt zu werden.

Wir haben jedoch einen Film sehen dürfen, der für uns besonders herausgestochen ist. Und dieser Film kommt volle Breitseite mit einem Thema um die Ecke, das einen in Erschrecken erstarren lässt, aber auch zwingend zur Zivilcourage und zu zivilem Ungehorsam aufruft.

Wie kann rechte Gesinnung deutsche Institutionen unterwandern? Schleicht sie sich in Strukturen ein, wie ein Gift in den Körper, ohne dass wir es mitbekommen? Wachen wir eines Tages plötzlich auf und sind überrascht darüber, dass rechte Gewalt normal geworden ist und von Behörden nicht nur nicht bekämpft, sondern im Gegenteil aktiv ausgeübt wird?
Werden genügend Menschen die Courage haben, sich gegen rechte Gewalt aufzulehnen, um eine Katastrophe zu vermeiden? Und wenn ja, in welcher Position müssen sie sein, um mit ihrer Courage auch etwas verändern zu können?

All diese Fragen wurden uns durch einen besonders starken Film gestellt, der einen präzisen Fokus setzt. Dieser Film hat es durch ein mitreißendes Ensemble, eine ausdrucksstarke Bildsprache und politische Relevanz geschafft, uns einen Kosmos näherzubringen, der parallel zu unserem Alltag existiert und zur Gefahr für uns alle werden kann.Er bricht ein scheinbar komplexes Thema auf die wesentliche Gefahr herunter, die diese für eine Gesellschaft darstellt. Direkt vor unserer Haustür, in der Nachbarschaft, auf der Arbeit. Es geht um nicht weniger als rechtes Gedankengut in Institutionen, die für den Schutz aller in Deutschland lebenden Menschen zuständig sind.

Die Figuren sind authentisch, ihr Zwiespalt hat uns mitgerissen und aufgezeigt, dass es Mut, Standhaftigkeit und Ungehorsam braucht, um sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen. Denn wenn diese Ungerechtigkeiten hier nicht aufgehalten werden, werden sie zu einer Gefahr für die gesamte Gesellschaft.
Dabei zeigt uns die Rolle der Hauptfigur, wie mühsam es ist, sich gegen rechte Strukturen aufzulehnen, ohne selbst Schaden zu erleiden. Es ist die sehr authentisch gespielte Neben- und Frauenfigur, die diesen Kreislauf durchbricht und die Stimme der Vernunft ist. Uns wurde die Frage ganz direkt gestellt: Wollen wir mit der vermeintlichen Masse gehen oder beweisen wir Zivilcourage und stellen uns auch in unserem Alltag Ungerechtigkeiten entgegen?

Gerade die aktuelle politische Bedrohung durch die AFD, die gerade so viel Zuspruch wie noch nie von einer kleinen, aber lauten und wachsenden Bevölkerungsgruppe erfährt, zeigt uns, dass unsere Freiheit unsere Demokratie in Gefahr gebracht werden kann.

Wir freuen uns sehr darüber, einen Film mit einer gerade heute so wichtigen Haltung prämieren zu dürfen. Den Preis der European Short Film Competition dotiert mit 3000€ geht an die herausragende Arbeit des Teams von Mitläufer!“



Lobende Erwähnung:

Gedanken eines jungen Menschen beim Anblick einer sich auflösenden Welt

„Hitzewellen, Überschwemmungen, Unwetterkatastrophen. Wie sollen wir umgehen, mit dem immer schlimmer werdenden Klimawandel? Welche Rolle kann der Einzelne in diesem globalen Drama spielen?

Der Schauspieler Jonathan Berlin findet in seinem kurzen Dokumentarfilm „Gedanken eines jungen Menschen beim Anblick einer sich auflösenden Welt“ eine klare Lösung. Als er zu Dreharbeiten nach Svalbard in der Arktis reist, kann er die offensichtlichen Auswirkungen der Klimakatastrophe, die ihm dort begegnen, nicht einfach ignorieren. Er beginnt zu dokumentieren was er sieht, führt Interviews mit Wissenschaftler*Innen und erschafft einen eindrücklichen Film über einen Ort, der nie wieder so wird, wie er war. Und über eine Welt, die im Begriff ist, sich aufzulösen.

Zwischen Hoffnungslosigkeit und dem Glauben an die Menschheit bietet der Film in nur 16 Minuten einen realistischen, harten und ungeschönten Ausblick auf die uns alle betreffende, nahe Zukunft – ohne falsche Illusionen.  Mit klaren Bildern und der ruhigen, unaufgeregten Stimme von Jonathan Berlin bekommen wir erneut die Dringlichkeit für Veränderungen in unserem Denken und Handeln vor Augen geführt. Da die Stimmen der Expert*innen im Alltag immer noch nicht genug gehört werden, gibt Jonathan Berlin ihnen in seinem Film Raum und zeigt auf, dass wir alle noch immer etwas gegen die Klimakatastrophe tun können.

Veränderungen beginnen, indem man das Offensichtliche nicht ignoriert, sondern sich der Realität stellt. Sein Film ist ein leidenschaftlicher Appell an uns alle, Verantwortung zu übernehmen, zu handeln und die Möglichkeiten zu nutzen, die jedem von uns zur Verfügung stehen.“


Westfalen Connection (Preis für den besten Langfilm, gestiftet von der Stiftung Westfalen-Initiative und dotiert mit 1.500 Euro):

Jury-Statement Unterhaltungskünstler Adam Riese, die Kuratorin und Moderatorin Katharina Schröder sowie der Autor und Filmtheoretiker Johannes Ueberfeldt:

„Mit dem Langfilm-Preis der Westfalen Connection zeichnen wir einen Film aus, der uns mitnimmt auf einen Trip, der Höhen, Tiefen und auch Überraschungen bereithält. Der Film erzählt auf berührende Art und Weise eine Coming of Age Geschichte, die die Probleme der Jugendlichen ernst nimmt und sogar Tod und Verlust behandelt. Der Film fängt das Gefühl der Freiheit bei gleichzeitiger Orientierungslosigkeit Heranwachsender perfekt ein und verwandelt mehrmals Schwere in Leichtigkeit. Unser Preis geht an Morgen irgendwo am Meer von Patrick Büchting.“




Westfalen Connection (Preis für den besten Kurzfilm, gestiftet von der Stiftung WestfalenInitiative, dotiert mit 1.000 Euro):

„Mit dem Kurzfilm-Preis der Westfalen Connection zeichnen wir einen Film aus, der sich auf humorvolle Weise in eine andere Zeit begibt und dabei erstaunlich aktuell ist. Wundervoll choreografiert bewegt sich der Film durch Moore, Schlösser und Reifröcke. Doch die Märchenerzählung geht auch tiefer. In ihr schwingt queer-feministischer Subtext mit. Nicht zuletzt widmet sich der Film einem der drängendsten Probleme unserer Zeit, dem Klimaschutz. Nur der Rock muss draußenbleiben. Unser Preis geht an: Die Spökenkiekerin und das Fräulein von Mark Lorei.“