Dieses Jahr befasst sich die Late-Night-Selektion mit einer Hommage an das italienische Thrillerkino – dem „Giallo“. Was in Italien Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zunächst als kriminalistischer Groschenroman mit gelbem Umschlag (ital. giallo = gelb) begann, wurde aufgrund rasant wachsender Beliebtheit ab den 1960er Jahren und besonders in den 1970er Jahren reihenweise für die Leinwand produziert. Regisseure wie Mario Bava, Dario Argento, Sergio Martino oder Lucio Fulci prägten mit ihren Werken dieses Genre maßgeblich.

Klassischerweise verhandeln die Filme – gemäß der stilprägenden Giallo-Motivik – eine Mordserie: Eine mit Mantel, Hut und schwarzen Handschuhen verhüllte Person verübt mehrere Morde und wird von einem zufälligen Augenzeugen beim Ausüben einer dieser Taten beobachtet. Durch eigenhändige Recherche verstrickt sich der Augenzeuge immer tiefer in den Fall und wird so natürlich selbst zum Ziel des Killers.

Abseits dieser stereotypisch anmutenden Whodunit-Erfolgsformel rangieren und experimentieren einige Ausreißer innerhalb des Genres. In diesen Abweichlern werden Realität und Wahrnehmung der Protagonisten vollkommen auf den Kopf gestellt, die Zuschauenden auf die Irrwege des Surrealen geführt und gewaltig an der Profanarchitektur gesellschaftlicher Konventionen gerüttelt. Mit dem Fokus auf Europa holen wir mit dem Genre des „Giallo“ ein originär europäisches Genre ins Programm, welches nicht mit anderen Genres, die außerhalb Europas entstanden, vergleichbar ist. Aufgrund der experimentellen und expressionistischen Kameraführung, Beleuchtung und Schnitttechniken war und ist der „Giallo“ bis heute wegweisend und inspirierend für viele Regisseurinnen und Regisseure weltweit. Mit insgesamt drei Giallo-Beiträgen präsentieren wir eine kleine Auswahl des Italo-Genres. Die Bandbreite der Filme reicht hierbei von Whodunit bis experimentell. (Texte: Simon Büchting)

  • A Lizard In A Woman’s Skin | Una Lucertola con la Pelle di Donna
    Lucio Fulcis großartiger Giallo-Beitrag darf bestimmt als eines seiner besten Werke gewertet werden und zeigt deutlich auf, dass seine Talente weit über die Inszenierung von blutigen Splattereffekten hinausgingen.
  • Malastrana | La Corta Notte delle Bambole di Vetro
    Aldo Lados Regiedebüt ist einer der unkonventionellsten Genre-Beiträge im Giallo und führt in das düster und okkult portraitierte Prag der 1970er Jahre. Nichts scheint real oder konventionell greifbar: Wo bin ich? Wie komme ich hier her? Diese existenziellen Fragen muss sich Journalist Gregory Moore während seines Aufenthalts in der „goldenen Stadt“ stellen. Des Rätsels Lösung birgt eine grausame Entdeckung …
  • Rosso – Farbe des Todes | Profondo Rosso
    Dario Argentos Meisterwerk „Profondo Rosso“ ist ein packend inszenierter Giallo, der durch seine visuelle Komponente und inszenatorische Brillanz definitiv eines der besten Werke des Genre-Regisseurs darstellt.